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WDR: „Menschen hautnah“ setzt Middelhoff-Doku ab


22 Nov

Bemerkenswerter Vorgang: Die WDR-Redaktion des Portraitformats „Menschen hautnah“ hat kurz vor der Ausstrahlung den Film über den frisch aus der Haft entlassenen Manager Thomas Middelhoff aus dem Programm genommen. Zur Begründung gibt die Redaktion an, sie habe erst kurz vor der Ausstrahlung von einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Filmemachern und dem Protagonisten Middelhoff erfahren, derzufolge Middelhoff den Film vorab zu sehen bekommen und bei den Dreharbeiten ein Mitspracherecht gehabt haben sollte. In ihrem Facebook-Posting (siehe Abbildung) führt die Redaktion weiter aus, das vertrage sich nicht mit ihren „journalistischen Grundsätzen“.

Bildschirmfoto

Ich sehe nicht recht, was das mit „journalistischen Grundsätzen“ zu tun haben soll. Dass jemand, der in einem Film spricht, auch eine Mitsprache haben soll, scheint mir schon semantisch eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und ich sehe auch nicht, was dagegen sprechen soll, einem Protagonisten bei einem solch intimen Format vorab den Film zu zeigen. Voraufführungen sind bei langen Formaten ja durchaus üblich: Sollen andere einen Film schon vor Aufführung sehen dürfen, nur der Protagonist nicht? Verquere Logik.

Im Printbereich ist es ja (leider) üblich, Interviews zu „autorisieren“, wobei die Texte oft völlig umgeschrieben werden. Das ist nicht wünschenswert, aber eben nichts Ungewöhnliches im Journalismus. Dass jemand eine gewisse Kontrolle über seine eigenen Äußerungen in der Öffentlichkeit haben möchte, halte ich für völlig verständlich. Gerade auch im WDR Fernsehen (für das ich 17 Jahre gearbeitet habe) kommt es bedauerlicherweise immer wieder vor, dass Menschen ihre Äußerungen in Interviews hinterher in völlig sinnentstellten Zusammenhängen wiederfinden. Und leider ist es mir in meiner Fernsehmacherzeit bei Recherchen auch immer wieder passiert, dass Menschen mit mir vor der Kamera nicht mehr reden wollten, weil schon einmal WDR-Teams bei ihnen waren und die Menschen das als traumatisches Event erlebt haben.

Eine letzte Bemerkung: Prinzipiell muss jeder Interviewpartner die vom WDR vorgefertigten „Mitwirkendenverträge“ unterschreiben. Und was der WDR da an Rechte- und Lizenzen-Buyout vorsieht, spottet jeder Beschreibung.

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Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter