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Macht WDR Wahlwerbung für Rechtsextremisten?


28 Apr

Im Prinzip klingt es erst einmal ganz gut, was der WDR da zur Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen veranstaltet hat:

Wir wollen (…) möglichst vollständig darüber informieren, wer sich in NRW eigentlich zur Wahl stellt. Jeder Bürger soll alle Kandidaten/innen aus seinem Wahlkreis in kurzen Videos vergleichen können.

Darum hat der WDR die 1329 KandidatInnen für einen Sitz im Düsseldorfer Landtag interviewt, und zwar standardisiert: Immer vier Minuten, immer dieselben Fragen.  Und all diese kleinen Wahlwerbespots hat der WDR auf seiner Internetseite Kandidatencheck ins Internet gestellt.

Quelle: wdr.de

Aber ist die Idee wirklich so gut? (mehr …)

Welt: Kinder mit Philosophie gequält


06 Apr

Das ist nun aber doch unerhört, was die Tageszeitung Die Welt da aus den Bildungsuntiefen des nordrhein-westfälischen Dumping-Schulwesens zu berichten hat: Kinder, Grundschulkinder  gar, sollen zum Philosophie-Unterricht genötigt werden:

Geht es nach den Grünen in NRW, sollen sich schon Grundschulkinder demnächst mit Kant, Platon & Co. beschäftigen. Die Partei verweist auf die vielen konfessionslosen Kinder, die in dieser Zeit Freistunden haben.

Sei’s drum, dass dieser Teaser nahezu unverständlich bleibt, weil der Hinweis an den sonst bei konfessionell besser ausgestatteten Schulkindern verpflichtenden Religionsunterricht erst später im Artikel ausgebreitet wird: Dass die armen Kleinen in so zartem Alter schon mit „Kant, Platon & Co.“ gequält werden sollen, das geht nun wirklich zu weit, meint die Welt.

Bildschirmfoto 3

Dabei ist der Vorschlag vielleicht gar nicht so schlecht. Selbst die Welt kann da nur zitieren, und so doof klingt es doch gar nicht:

„Es ist wichtig, allen Kindern ein Angebot zu machen, das sich mit Sinn- und Wertefragen beschäftigt“, sagte die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. Für das Fach, das den Arbeitstitel „Philosophieren mit Kindern“ trägt, hat der Münsteraner Philosophieprofessor Klaus Blesenkemper einen Lehrplan entworfen.

Auch verschweigt die Welt, dass es auch heute schon an vielen Grundschulen in NRW Ethik-Unterricht als Ersatz für den Religionsunterricht gibt. Und Ethik ist nichts anderes als „praktische Philosophie“.

Für die Welt-Redaktion dagegen rangiert der Vorschlag, mit Kindern zu philosophieren, ungefähr auf einer Ebene mit dem legendären Veggie-Day, den die Grünen vor vier Jahren einführen wollten:

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen mit einem ungewöhnlichen Vorschlag Aufsehen erregen. Bereits vor vier Jahren wollte die Partei einen verpflichtenden Veggie-Day in öffentlichen NRW-Kantinen einführen …

Dafür habe es damals viel „Hohn und Spott“ gegeben, so die Welt. Offenbar hält die Redaktion aus dem Hause Springer auch den jetzigen Vorschlag für verspottenswert. Wie sagt da der Lateiner: Si tacuisses, philosophus mansisses – Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben.

Unwetter ohne WDR: Kachelmann fordert Intendanten zum Rücktritt auf


10 Jun
Wetter-Moderator Jörg Kachelmann (Foto: René Mettke/Wikimedia)

Wetter-Moderator Jörg Kachelmann (Foto: René Mettke/Wikimedia)

Ein verheerendes Unwetter zog gestern über Nordrhein-Westfalen, verursachte immensen Schaden und kostete mindestens fünf Menschen das Leben. Der Wetter-Experte und ehemalige ARD-Wettermoderator Jörg Kachelmann schreibt nun in seinem Blog, dass dieser schwere Sturm schon frühzeitig vorhersehbar war, ohne dass der Westdeutsche Rundfunk mit deutlichen Warnungen darauf reagiert habe:

Was mögen Sie gestern getan haben, als Sie erfahren haben, dass es in dem Bundesland, dass Ihnen anvertraut wurde, schwere Gewitter geben wird? Sind Sie in den Sender gefahren, um zu besprechen, wie man Warnungen in das Fernsehprogramm integrieren kann? Haben Sie mit Meteorologen Kontakt aufgenommen um zu erfahren, wann die wahrscheinlichste Eintreffenszeit der Unwetter ist? Ich weiss es nicht. Ich war nicht in Nordrhein-Westfalen, um zu sehen, was Sie vorgekehrt haben, um Menschenleben zu retten. Betrachtet man den Twitteraccount von WDR2, liegt die Vermutung nahe, dass Sie den Pfingstmontag so verbracht haben, wie es wohl vorgesehen ist, wenn man de facto unkündbar ist: mit Nichtstun.

Kachelmann weist auch darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt, als am frühen Abend Orkanböen bereits Aachen und das westliche Rheinland erreicht hätten, der WDR anderes zu berichten hatte, anstatt die Zuschauer und Zuhörer zu warnen:

WDR Tweet entenhausen

Selbst als der Sturm schon Köln erreicht habe, habe der WDR, so Kachelmann, so getan, als handle es sich um ein noch bevorstehendes Ereignis, und habe seinen Zuschauern und Zuhörern via Twitter gewünscht: „Kommt sicher nach Hause“. Der Schweizer Wettermoderator folgert daraus, dass der WDR und sein Intendant Tom Buhrow Mitverantwortung für die Opfer des Sturms trage:

Sie “erwarten” etwas, was schon seit über einer halben Stunde da war. Sie lassen Ihre Zuschauer und Zuhörer erst alleine und lügen Sie am Ende auch noch an. Durch Ihr Nichtstun sind Sie mitverantwortlich, dass Menschen verletzt und getötet wurden. Wäre der WDR in den USA tätig, würden jährlich Tausende Menschen in Hurricanes und Tornados sterben. Sie und Ihr Sender hatten und haben keinen Plan, wie Sie etwas Wichtiges tun können, tun müssen, wenn es um Leib und Leben Ihrer Gebührenzahler geht. Ich zweifle nicht, dass Sie heute tolle Sondersendungen machen werden, womöglich einen peinlichen ARD-Brennpunkt produzieren, in dem Sie die Orte zeigen, an denen Menschen gestorben sind.

Diese Menschen hätten nicht sterben müssen, hätten alle mitgeholfen, die Zuschauer in NRW live erreichen zu können und rechtzeitig zu warnen. Sie sind gemeint. Sie und Ihr Sender waren gestern entweder faul, inkompetent, ignorant oder alles zusammen. In staatstragenden Tagesthemen-Kommentaren wird bei solchem Fehlverhalten durch Politiker gerne ein Rücktritt gefordert.

Eine Reaktion von Seiten des WDR steht noch aus.

Nachtrag 11.06.2014: Mittlerweile hat der WDR auf die Vorwürfe reagiert. „Der WDR hat am Pfingstmontag ab 6 Uhr morgens durchgehend Unwetterwarnungen und Schlechtwetterprognosen gemeldet“, so Sprecherin Kristina Bausch auf DerWesten.de. Auch über Twitter, Teletext und in den Sendungen habe der WDR berichtet. „Wie nach jedem Katastrophen- oder Kriseneinsatz werden wir auch in diesem Fall nacharbeiten, was wir künftig gegebenenfalls noch besser machen können.“

NRW-Wahlen: Schlappe für Wahlprognosen


15 Mai

Norbert_roettgen_2012Ist das Ergebnis der Landtagswahlen in NRW wirklich ein “Triumph” für Rot-Grün, wie der Focus schreibt? Oder ist vornehmlich ein Erfolg der Liberalen, wie deren NRW-Chef Lindner über die Tageszeitung Die Welt verbreitet? Weder, noch: Vor allem ist die NRW-Wahl eine große Niederlage für die Wahlforscher und Umfrageinstitute. Denn während das Ergebnis der F.D.P. in Nordrhein-Westfalen sich im Vergleich zur letzten Landtagswahl in dem Bundesland im Bereich der statistischen Fehlertoleranz befindet, hat das relativ gute Abschneiden der SPD sowie das schlechte Ergebnis der CDU so niemand prognostiziert.

So sah die Prognose von YouGov.de, über die auch in diesem Blog schon geschrieben wurde, für die CDU ein Ergebnis von 30% vor. Die Umfrager von YouGov geben immerhin eine Fehlertoleranz an, die bei einem Stimmanteil von 50% eine Abweichung von 3,1 Prozentpunkten bedeuten kann. Aber selbst dann hätte die CDU im schlechtesten Fall deutlich mehr als 27% der Stimmen erzielen müssen.

Auch das Ergebnis der SPD ist natürlich so brillant nicht, wie in der Presse dargestellt. Immerhin betrachten die Sozialdemokraten das Land NRW immer noch als ihre Stammlande, wo sie einst stabile absolute Mehrheiten erzielen konnten. Und der vorgebliche Erfolg der freien Demokraten ist im Lichte betrachtet auch nicht so grandios, wenn man bedenkt, dass sie außer dem Minimalziel, wieder in den den Landtag einzuziehen, eigentlich nichts erreicht haben.

Gänzlich ominös war die politische Berichterstattung insbesondere im Fernsehprogramm der ARD, wo Fragensteller Frank Plasberg sowohl in der sonntäglichen Wahlberichterstattung als auch in seiner montäglichen Talkshow als einzige politische Analyse die Frage anbieten konnte, ob CDU-Kandidat Röttgen sich nicht auch im Falle der Wahlniederlage für die Aufgabe seines Berliner Ministeramtes hätte entscheiden müssen, während Wahlsiegerin Kraft von der SPD sich nun ständig die Frage gefallen lassen musste, ob sie nicht lieber als Kanzlerin nach Berlin ziehen will. Dem einen wird also vorgeworfen, dass er nicht bleiben will, und der anderen wird in den Mund gelegt, dass sie nicht bleiben soll. Dieser verqueren Logik kann nicht jeder folgen.

Wahlprognosen: Die Wirklichkeit ist immer besser als die Presse


11 Mai

Wahlkampfzeiten sind die Zeiten von Wahlprognosen, und die sind bei Journalisten besonders beliebt. Das Problem ist nur: Meistens stimmen sie nicht. Hier ist die Wahlprognose, die “Yougov” im Auftrag des Kölner Stadtanzeigers für die Landtagswahlen NRW am kommenden Sonntag, den 13.05., erstellt hat:

Wahlprognose NRW

Am interessantesten an diesem Umfrageergebnis sind nicht etwa die Zahlen- und Prozentwerte, sondern die Einschränkungen, die Yougov zwar auf seiner Website macht, die der Kölner Stadtanzeiger aber unlautererweise nicht mitveröffentlicht. Dort heißt es:

Für die Studie wurden von YouGov insgesamt 1.038 wahlberechtigten Bürger in NRW in dem Zeitraum vom 20.04.2012 bis zum 29.04.2012 befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen 1,4 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 5%) und 3,1 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 50%). Die Daten wurden mittels Online-Befragung erhoben. Die Ergebnisse sind politisch gewichtet und repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in NRW ab 18 Jahren.

Vergessen hat Yougov noch anzufügen, dass solche Umfrageergebnis nur eine Wahrscheinlichkeit von ca. 90% haben. Denn die 1.038 Befragten werden nach dem Zufalls- oder Lotterieprinzip ausgesucht. Das bedeutet, es könnte zufällig sein, dass man ausgerechnet 1.038 CDU-Anhänger (oder andere Minderheiten) erwischt. Und eine Fehlertoleranz von 3,1 Prozentpunkten besagt nichts anderes, als dass die SPD genauso gut nur 33,9% und die CDU ebenso gut 33,1 % haben könnte. Mit diesen Werten sähe das Umfrageergebnis aber dem Wahlergebnis der letzten NRW-Wahlen verflixt ähnlich:

Quelle: Wikipedia

Wie kommt’s? Wahlen folgen, wie auch andere prognostizierbare Ereignisse (z.B. das Wetter) der Regel der Persistenz: Die Wahrscheinlichkeit, dass es dieses Mal genauso ausgeht wie das letzte Mal, ist ziemlich hoch. Beim Wetter liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es heute so wird, wie es gestern war, in Mitteleuropa bei 70%. Die großräumige 3-Tages-Prognose des Deutschen Wetterdienstes kommt auch nur auf unwesentlich bessere 74% (kleinräumig erreichen Wettervorhersagen für den nächsten Tag allerdings bis zu gute 90%).

Auch in der Politik und bei Wahlentscheidungen ist das Beharrungsvermögen enorm. Man könnte das “politische Persistenz” nennen.  Deswegen war es für alle Leute, die sich gerne mit Statistik beschäftigen, nicht so überraschend, dass die FDP bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein wieder den Einzug in den Landtag schaffte. Viel überraschender war, dass wochenlang die Umfrageinstitute etwas Anderes behaupteten. Überraschend war auch nicht, dass Renate Künast von den Grünen bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Berlin nicht Regierende Bürgermeisterin geworden ist, sondern vielmehr, dass die Wahlforscher das wochen- und monatelang vorher behaupteten. So war bei news.de zu lesen:

Eine Grüne kann Geschichte schreiben: Renate Künast könnte die erste Regierende Bürgermeisterin der Ökopartei werden. Die Berliner trauen ihr das Kunststück im Umfragehoch zu.

Für Presse und Fernsehen ist das schön, denn sie haben gleich zweimal etwas, mit dem sie Spalten und Sendezeiten füllen können. Zuerst das scheinbar so überraschende Umfrageergebnis und anschließend die völlig unerwartete Kehrtwende das Wahlvolks, wenn dann wirklich der Wahlsonntag gekommen ist. Nur dass daran weder etwas überraschend noch unerwartet ist …

Wie gehen die Prognosefirmen wie Infas, Forschungsgruppe Wahlen u.a. damit um? Sie tun das, was auch “Yougov” frank und frei zugibt: “Die Ergebnisse sind politisch gewichtet”. Veröffentlicht werden also gar nicht die Zahlen der echten Umfragen, die mit Menschen am Telefon, in Fußgängerzonen oder im Internet gemacht wurden. Die Institute rechnen sich die Ergebnisse nach selbstgewählten Kriterien zurecht. Und wenn sie schlau sind, orientieren sie sich dabei an den Wahlergebnissen der letzten Wahlen. Auf die sog. Sonntagsfrage antworten die Leute auf der Straße nämlich offenbar regelmäßig anders, als sie dann tatsächlich in der Wahlkabine entscheiden.

Wenn doch einmal etwas wirklich Ungewöhnliches passiert, wie z.B. dass ausgerechnet in Baden-Württemberg der erste grüne Ministerpräsident gewählt wird, sehen die Wahlforscher meist alt aus. Interessanterweise ist der unvorhersehbaren BaWü-Wahl ein ebenso unvorhergesehenes Wetterereignis vorangegangen, nämlich ein Tsunami in Japan, der das Kernkraftwerk Fukushima zerstört hat. Wahlen und Wetter haben offenbar wirklich  so einige Gemeinsamkeiten.

Röttgen abgeschlagen hinter Kraft – Kölner Stadt-Anzeiger

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter