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Phil.Cologne: Philosophie als Spaßevent?


26 Jun
Sokrates: "Ich weiß, dass ich nichts weiß".

Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

„Philosophie ist in unseren Zeiten der Spaßkultur etwas Antiquiertes“. Den Satz hörte ich gerade im Radio auf WDR 5. Es handelte sich bei der Äußerung um Werbung für die Veranstaltungsreihe Phil.Cologne, die genau das tut, was der Satz scheinbar negiert: Philosophie als Spaßkultur inszenieren. Da gibt es Veranstaltungen wie „Schlag den Platon“, einen Philosophie-„Slam“, und ansonsten Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, die stets nach demselben Muster ablaufen: Man nehme einen irgendwie aus den Fernsehen bekannten Kopf, z.B. den Tatort-Pathologen Joe Bausch, kombiniere ihn mit irgend einem Intellektuellen, den man bestenfalls auch aus dem Fernsehen kennt, z.B. Rüdiger Safranski, und nehme sehr viel Eintrittsgeld dafür, dass sie das tun, was sie sonst im Free-TV auch umsonst erledigen. Bis zu 30 Euro Eintritt kosten nämlich die Veranstaltungen, die noch dazu großzügig von der Lanxess AG,  dem „Alleinigen Hauptsponsor des ersten Philosophiefestivals“, unterstützt werden — wobei der Ausdruck „alleiniger Hauptsponsor“ ein hübsches, fast schon philosophisches Paradox ist. Großzügige Förderung erfährt phil.Cologne auch durch den „Medienpartner“ Westdeutscher Rundfunk, der auf hochattraktiven Sendeplätzen unbezahlte Werbung für die Veranstaltungsreihe macht. In der Philosophie von Karl Marx würde man das alles wohl Mehrwert-Produktion nennen. Besondere, womöglich sogar selbstironische Volte der Veranstalter ist das Gespräch von Frank Schirrmacher und Rangar Yogeshwar zum Thema „Unsere Zukunft zwischen Ego und Nachhaltigkeit“: Über das Sujet, vor allem das „Ego“, kann wohl kaum jemand besser Auskunft geben, als genau diese zwei Festredner.

Nichts gegen Fröhliche Wissenschaft! Aber das Programm von phil.Cologne macht doch schwer den Eindruck, als wolle man die Loveparade mit etwas Intellektuellen-Brimborium zum klassischen Ballettabend aufmotzen. Unterhaltungsautor Frank Schätzing ist zwar Kölner, aber mit Sicherheit kein Philosoph — vielleicht steht er ja nach Meinung der Programmmacher für das „Cologne“ im Terminus „phil.Cologne“. Wer es etwas günstiger haben möchte, kann sich ja einfach mal in die ein oder andere Philosophie-Vorlesung an der örtlichen Hochschule schmuggeln. Da reden Profis, und Eintritt kostet es auch nicht.

Die schlechten Bücher des F. Schirrmacher


18 Feb

F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher (Foto: Wikimedia)

Frank Schirrmacher ist nicht nur Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), sondern auch Bestseller-Autor. Mit populären Sachbüchern wie „Der Methusalem-Komplex“ oder „Payback“ hat Schirrmacher hohe Auflagen und einige Übersetzungen erzielt. Nun schlägt das Geistesimperium zurück. Seinem neuen Titel „Ego“ attestiert der Feuilleton-Chef der „Welt“, Cornelius Tittel, “ Logik-Löcher und Anschlussfehler“ und resümiert:

So schwer es jedem denkenden Menschen fallen dürfte, „Ego“ zu Ende zu lesen – schwerer wiegt nur die Last, sich ernsthaft mit Schirrmachers Thesen auseinandersetzen zu müssen. (…) Wo man auch bohrt, es sind denkbar dünne Bretter, aus denen Schirrmacher sein windschiefes Gedankengebäude zimmert

Ähnlich kritisch geht Joachim Rohloff in einer Rezension von Schirrmachers letztem Buch „Payback“ in der Zeitschrift „Merkur“ mit dem Autor und seinem Verlag ins Gericht.

Hier muss ein Komma, dort ein Wort eingefügt oder gestrichen werden, hier muss man den Numerus, dort das Tempus oder den Modus eines Verbs korrigieren, bis man meint, man habe es nicht mit dem Kulturkopf der FAZ zu tun, sondern mit einem Praktikanten von Kicker online. Viele Sätze muss man zwei- oder dreimal lesen, bevor man den Fehler entdeckt und beheben kann. Dann erst stellt ein Sinn sich ein, von dem man aber nie mit Gewissheit annehmen darf, er treffe das, was der Autor sagen wollte. Das Internet fresse unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit, behauptet Schirrmacher. Bei der Lektüre seines Buches denkt man eher, es sei die Verkommenheit der hiesigen Verlagsbranche.

Man muss dazu sagen, dass der Bereich „populäre Sachbücher“ im Buchmarkt ein schwieriges und umkämpftes Gebiet ist. Ständig hat man mit Lektoren und Buchmanagern zu tun (wobei moderne Lektoren nichts anderes mehr sind als Buchmanager), die es noch etwas plakativer und noch etwas simpler gestrickt haben möchten. Aber gerade deswegen hat ein Autor die Pflicht, im Zweifel sich auch einmal gegen einen Lektor durchzusetzen und ein wenig Qualität im Buch zu belassen. Vor allem, wenn er Frank Schirrmacher heißt. Wie sagt die F.A.Z.-Werbung: „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Es wäre zu wünschen, dass er sich manchmal auch hervortraut, der Kopf.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter