Posts Tagged ‘Schweiz’

Peinliche Presse-Panne


10 Apr

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil: So lautet eine alte Journalistenwahrheit. Dennoch wird sie nicht immer beherzigt, wie jetzt gerade wieder die KollegInnen vom Datenblog zeigen konnten. Sie dokumentieren eine peinliche Panne, die der nationalen Nachrichtenagentur der Schweiz (sda) unterlaufen ist:

Ringier_KorrektKann ja mal vorkommen — sollte es aber nicht …

Radiohörer, die unbekannten Wesen


28 Aug
Foto: Dieter Schütz/Pixelio

Foto: Dieter Schütz/Pixelio

Zweimal jährlich ermittelt die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG MA) die Radio-Hörerzahlen. Die Zufriedenheit mit diesen Zahlen quer durch die verschiedenen konkurrierenden Radioredaktionen indes macht stutzig. Sehr schön hat das die FAZ in einem online verfügbaren Beitrag zusammengefasst:

Beispiel Bayern: Der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk reklamierte, er sei der „große Gewinner“, während sich der Privatanbieter Antenne Bayern freute, die „1-Mio.-Hörer-Marke“ geknackt zu haben als „meistgehörter Radiosender Deutschlands“. Beispiel Niedersachsen: NDR 1 (öffentlich-rechtlich) beteuerte, „seit 20 Jahren unangefochtener Marktführer“ zu sein, während FFN (privat) mit „einer durchschnittlichen Stundenreichweite von 469 000 Hörern“ seine „Spitzenreiterposition“ zu verteidigen vorgab. Beispiel Berlin: 104.6 RTL (privat) jubilierte, die „klare Nummer eins“ in der Hauptstadt abzugeben und „Hörer-Millionär“ zu sein, während Antenne Brandenburg (öffentlich-rechtlich) sich rühmte, das „erfolgreichste Radioprogramm in der Region“ darzustellen mit „217 000 Hörerinnen und Hörern in der Durchschnittsstunde“.

Problem der Radio-Hörer-Messungen ist die Methode: Während beispielsweise die Fernseheinschaltquoten mit elektronischen Messgeräten in Testhaushalten ermittelt werden, sind es bei der Radio-Media-Analyse simple Befragungen mittels Telefoninterviews. Dabei werden die Interviewpartner gefragt, welche Programme sie am Vortag mindestens eine Viertelstunde gehört haben. Schon die trügerische Erinnerung birgt statistische Fehler. So gibt die MA sensationelle durchschnittliche Hördauern an:

Montags bis freitags schalten knapp achtzig Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung in der Bundesrepublik das Radio ein, absolut rund 58 Millionen Menschen. Im Schnitt hört jeder täglich 198 Minuten Radio. So jedenfalls das Ergebnis der aktuellen Messung.

Horst Müller, Professor für Redaktionspraxis an der Hochschule Mittweida, stellt diese Zahlen in der FAZ in Frage. Seiner Meinung nach müssten die Zahlen viel geringer sein, womöglich um ein Drittel. Unterstützung erhält er durch Media-Analysen aus der Schweiz. Dort wird die Radionutzung elektronisch, mit dem sog. Radiometer, gemessen. Der durchschnittliche Deutsch-Schweizer hört demnach 123,7 Minuten täglich Radio. Das Mediennutzungsverhalten von Bundesbürgern und Deutsch-Schweizern wird nicht so unterschiedlich sein, dass eine so erhebliche Abweichung erklären würde.

Dennoch zeigen selbst die korrigierten MA-Zahlen, dass das Radio das am meisten unterschätzte Medium in Deutschland ist. In den Diskussionen um die Zukunft des Journalismus oder die Medienkrise ist von der deutschen Radiolandschaft selten die Rede. Bei Journalistenkongressen oder andren Branchentreffen sind selten Hörfunkvertreter anzutreffen oder gar als Redner zu bewundern. Dabei erfreut es sich offenbar beim Mediennutzer nach wie vor größter Beliebtheit.

Schweizer Weltwoche: "Wie im Nationalsozialismus"


13 Apr

ww_romaDas Schweizer Blatt “Weltwoche” stellt in der aktuellen Ausgabe einen Zusammenhang her zwischen organisierten Raubzügen und der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma. Das Ganze garniert mit einem Foto, auf dem ein kleiner südlich aussehender Junge den Lauf einer Pistole ins Kameraobjektiv hält. Der Zentralrat der deutschen Roma und Sinti hat nun Anzeige gegen die “Weltwoche” erstattet. Die Straftatbestände Volksverhetzung und Beleidigung sieht der Zentralrat hier als gegeben an.

Es sei in diesem Zusammenhang an ein ziemlich genau 10 Jahre zurückliegendes Publikationsereignis in der bundesdeutschen Presse erinnert. Das Kölner Boulevardblatt “Express” hatte damals im Steckbrief-Stil Fotos von Roma-Kindern veröffentlicht und vor diesen angeblichen “Klau-Kids” gewarnt. Die Fotos hatte das Blatt illegalerweise dem internen “Bundeskriminalblatt” des Bundeskriminalamts entnommen. Der Express-Chefredakteur zeigte sich damals uneinsichtig ("wenn durch den Bericht auch nur ein Dutzend Menschen weniger überfallen, ausgeraubt und verletzt worden sind, dann hat sich der Aufwand schon gelohnt”).

Kehrtwende ergab sich damals erst, als Express-Herausgeber Alfred Neven-Dumont einschritt. Pikanterweise engagierte sich seine Ehefrau Hedwig nämlich in gemeinnütziger Weise insbesondere auch für Roma-Kinder. Er wolle "auch im Namen seiner Frau und seines Hauses bei dem Volk der Roma, das wundervolle Menschen hervorgebracht hat, und allen, die sich von der Art der Veröffentlichung getroffen gefühlt haben, sein Bedauern zum Ausdruck bringen", schrieb Neven DuMont damals.

Wie im Kölner Fall ist auch bei der Weltwoche der Abdruck von Fotos von Kindern und Jugendlichen presserechtlich höchst problematisch. Minderjährige stehen nämlich unter dem besonderen Schutz des Gesetzes. Selbst bei berechtigten Vorwürfen oder öffentlichem Interesse dürfen Bilder von Jugendlichen und Kindern in aller Regel nicht veröffentlicht werden, da dies ihrer Resozialisierung im Wege stünde.

Der Zentralrat der Sinti und Roma hebt allerdings mehr auf den politischen Hintergrund der Publikation ab. Wie zu Zeiten des Nationalsozialismus werde der Eindruck von einer "abstammungsbedingten Kriminalität" erweckt. Sinti und Roma wurden von den Nazis als "Zigeuner" diskriminiert, verfolgt und ermordet.

Zentralrat der Roma und Sinti zeigt "Weltwoche" an – "Wie im Nationalsozialismus" – Medien – sueddeutsche.de

Die Anti-Powerpoint-Partei


06 Jul

Logo der APPP

Wenn es Krankheiten gibt, die kein Arzt heilen kann, dann gehört Microsofts PowerPoint mit Sicherheit dazu. Widerstand regt sich mittlerweile nicht nur publizistisch und sogar militärisch, nein, jetzt geht es dieser Pestbeule der Präsentationskunst auch politisch an den Kragen: Die Anti-Powerpoint-Partei hat sich konstituiert. Und wer hat’s erfunden? Ein Schweizer … :

Die APPP sieht sich als Anwalt der schätzungsweise monatlich 250 Mio Bürger weltweit (Schweiz ca 500’000), die bei langweiligen Präsentationen in Unternehmen, in Universität, in Ausbildung zwangsweise anwesend sein müssen und die bisher keine politische Vertretung in der Politik gefunden haben.

Auch Christian Wolf vom Basic thinking Blog sieht die Notwendigkeit politischer Intervention und begrüßt die Gründung der Partei:

Was es da alles zu sehen gab, braucht sich in der Retrospektive nicht hinter Geschmacksentgleisungen wie Schulterpolstern, den (leider!) in der Renaissance befindlichen VoKuHiLa-Frisuren und dem ersten Ford Ka zu verstecken. Bei mindestens einem Vortrag im Semester hieß fortan die Devise: Wenn PowerPoint es kann, dann muss es auch verwendet werden. Gnade gab es selten. Alle sollten schließlich sehen, dass man das letzte aus dem Microsoft-Tool herausgeholt hat. Ob Hintergründe und Texte in knalligen Farben, die unzähligen Wie-kann-ich-den-Inhalt-am-ungewöhnlichsten-auf-die-aktuelle-Folie-fliegen-lassen-Effekte (gern auch mit Ton) oder blinkende und zur Sicherheit noch fett, kursiv sowie mit doppeltem Unterstrich auch für den Brennglasträger in der letzten Reihe ausreichend hervorgehobene Überschriften – neben der gebotenen Vielfalt konnten die eigentlichen Inhalte fast schon vernachlässigt werden und wurden es dann mitunter auch.

 Die APPP kann auch den Schaden beziffern, der durch den Einsatz der Präsentationssoftware aus der Microsoft-Office-Suite entsteht:

Durch den Einsatz von PowerPoint* bei Präsentationen, bei der statistisch gesehen eine grosse Mehrheit im Anschluss die verbrachte Anwesenheitszeit als sinnlos erachtet, wird der Schweizer Volkswirtschaft ein geschätzter jährlicher Schaden von 2,1 Milliarden Franken zugeführt.

Die Schweizer Partei hat auch die Lösung für das drängendste Problem des digitalen Zeitalters: Die Reokkupation der Vorträgssäle durch den Flipchart:

PowerPoint* wird fast niemals einen echten Menschen schlagen, der am Flipchart etwas kreiert. Denn die Wirkung der Darstellung wird nicht durch das Ergebnis erzeugt, sondern durch den AKT DES ERSCHAFFENS des Ergebnisses. Darin liegt die Wirkung und nicht im Ergebnis selber. Deshalb funktioniert PowerPoint* vom Prinzip nicht. Es ist eben nicht wahr, dass man PowerPoint* nur “richtig” einsetzen müsste, (Mit Anweisungen wie “Weniger Text”, “nicht überladen”, “nur 5 Zeilen maximal” u.s.w.) sondern in der Gegenüberstellung mit dem Flipchart erweist es sich in 95 von 100 Fällen, dass der Flipchart um Längen mehr Wirkung erzeugt, wie die Präsentation mit PPt. Das ist keine Behauptung, sondern das kann man beweisen!

Der Partei ist eine grenzüberschreitende Kampagne sowie europaweiter Erfolg zu wünschen. Powerpoint-Gegner aller Länder, vereinigt Euch!

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter