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50 Jahre Gegenöffentlichkeit


24 Mai

Bildschirmfoto 1In der kommenden Woche jährt sich eines der einschneidenden Ereignisse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Am 2.Juni 1967, also vor 50 Jahren, besuchte der damalige Schah von Persien Deutschland und West-Berlin. Die Ereignisse dieses Tages — Gegendemonstrationen, Polizeiaktionen und am Ende des Tages der von einem Polizisten erschossene Student Benno Ohnesorg — haben tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Eine dieser Spuren verlief auch in der weiteren medialen Organisation von Öffentlichkeit: Ein Konzept von „Gegenöffentlichkeit“ begann – neue kritische Verlage wurden gegründet, alternative Stadtmagazinen und auch eine Tageszeitung, die taz.

Diese taz erinnert jetzt in einer 32-seitigen Sonderausgabe unter dem Titel „Gegen den Strom“ an dieses Datum und die Entstehung neuer Formen, Öffentlichkeit herzustellen:

Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über „Gegenöffentlichkeit“, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute eher formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, über bürgerliche Zeitungen und alternative Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit über gesellschaftliche Entwicklungen.

taz-Redakteur Jan Feddersen hat sich in einem Essay Gedanken über aktuelle Formen von Gegenöffentlichkeit gemacht. Dabei geht er von der Beobachtung aus, dass heute womöglich eher politisch rechts und rechtsextrem positionierte Kräfte sich Formen der Gegenöffentlichkeit zunutze machen:

„Gegenöffentlichkeit“ – die braucht es nicht mehr nicht mehr in dem klassisch verstandenen Sinne wie vor 50 Jahren. Empörung als Reaktionsmodus auf alles, was einem in der Welt nicht passt, ist zur Disziplin der Rechten geworden, und sie wird es bleiben: Das können die echt gut. Leider. Linken stünde ein anderer Modus gut an: Coolness. Nicht Chemtrails trauen, keiner Hassbotschaft, keiner aufgeschäumten Erregung, keiner Verschwörungstheorie und auch keinen Botschaften, die die Welt als Verhängnis schildern.

Die taz und das Rösler-Interview: Wer ist hier rassistisch?


10 Sep

taz_roesslerIn der heutigen Ausgabe der alternativen Tageszeitung „taz“ aus Berlin erscheint ein Interview mit FDP-Chef Philipp Rösler, das viele weiße Flecken hat: Es wurden nur die Fragen gedruckt, die Antworten fehlen. Warum? Im taz-Hausblog ist dazu zu lesen:

Eine Stunde lang hatten zwei taz-Redakteurinnen mit Vizekanzler Rösler über Koalitionsstreit und Steuerpolitik, aber auch über Hassmails und Rassismus, Röslers asiatische Wurzeln und Rainer Brüderles öffentliche Vergleiche zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche gesprochen. Der FDP-Chef antwortete auf alle Fragen. Doch bei der Autorisierung hieß es: Das Interview werde nicht freigegeben, weil Rösler sein asiatisches Äußeres im Wahlkampf nicht zum Thema machen wolle.

Die Praxis des „Autorisierens“ von Politiker-Interviews ist verbreitet und heftig umstritten. Einerseits will keine Redaktion rechtlich in Schwulitäten geraten, weil eine Antwort womöglich unkorrekt wiedergegeben wurde. Andererseits nutzen Pressestellen diese Maßnahme gerne aus, um nicht nur redaktionell, sondern massiv inhaltlich in den Interviewtext einzugreifen und Antworten auf vermeintlich unangenehme Fragen stark zu verändern oder gar zu streichen.

In der Kommentarspalte des taz-Hausblogs tobt allerdings noch eine andere Debatte: Die nämlich, ob womöglich die Fragestellungen der taz-Journalistinnen selbst einen inhärenten Rassismus vorwiesen. Kreisen sie doch so stark und immer wieder nur um dieses eine Thema, die asiatische Herkunft und das entsprechende Aussehen Röslers. Die Meinung der taz-Chefredakteurin zum Thema ist hier nachzulesen.

Küppersbusch geht wieder auf Sendung


20 Mai

zak kueppersbAls Harald Schmidt nach seinem Abgang bei Sat1 gefragt wurde, ob er nun zurück zum WDR kehren werde, sagte er, dass sei ja wie zu Mutti nachhause kommen. Friedrich Küppersbusch hatte offenbar Sehnsucht nach Mama. Jedenfalls wird er ab 10. Juni dreimal wöchentlich eine viertelstündige Sendung namens „Tagesschaum“ im WDR Fernsehen moderieren. In der taz erklärt Küppersbusch:

Ein Meinungs- und Kommentarmagazin, mit dem wir die Leute bis zur  Bundestagswahl begleiten. Eine Viertelstunde Haltung, Erbauung und  Trost. Die „Tagesschau“ auf Koks, also.

Es soll sich dabei selbsterklärtermaßen um ein Satireformat handeln, was einen ein kleines bisschen skeptisch macht. Denn wenn extra „Satire“ drauf geschrieben werden muss, steht doch zu befürchten, dass es „lustig“ oder gar „bissig“ doch nur im fürs Öffentlich-Rechtliche erträgliche Maße wird. Vergrößert wird dieser Eindruck dadurch, dass Küppersbusch sich verstärkt mit solchen Mitstreitern, deren Namen (und deren Hauptarbeitgeber) wohl dafür bürgen sollen, dass hier nichts schief gehen kann: Stefan Niggemeier, der bislang beim „Spiegel“ arbeitete und als Fernsehautor bislang nicht auffällig geworden ist,  Stefan Reinecke von der taz sowie einige Namen, die man noch von der alten ZAK-Crew kennt. Das WDR-Format ZAK („der Wochendurchblick“) war die Sendung, mit der Friedrich Küppersbusch in den 90er Jahren bekannt geworden ist. Berüchtigt war vor allem Küppersbuschs Interview-Stil und seine spitzen Formulierungen. Sollte er auch nur ein kleines bisschen davon in die neue Sendung hinüberretten, so dürfte es sich qualitativ vom TV-Mainstream schon fundamental unterscheiden. Manchmal ist es eben doch schön, wenn jemand an den heimischen Herd zurückkehrt. Hoffentlich gibt es nicht nur Aufgewärmtes …

Ministerpräsidenten-Prosa


14 Aug

McAllister bei Landesparteitag, Quelle: Wikimedia

Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister hat sich interviewen lassen. Von der eigenen CDU-Pressestelle. Und dieses Interview zur Veröffentlichung angeboten. Da war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch jemand zugriff. Nun hat das Anzeigenblatt CelleHeute das Interview tatsächlich nachgedruckt. Die Berliner tageszeitung dazu:

In der Rubrik „Für Sie über uns“ gibt die Seite Celleheute als „Credo“ den Ausspruch des ehemaligen Tagesthemen-Moderators Hajo Friedrichs an: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ Dummerweise handelt es sich bei dem Interview um einen Wahlkampfauftritt der CDU: Kritische Fragen, etwa zur Affäre um McAllisters politischen Ziehvater Wulff, fehlen darin, ebenso der Name des Interviewenden. Verschickt hat das Stück die Pressestelle der Landes-CDU – an die „Anzeigen-Zeitungen in Niedersachsen“, um erklärterweise deren „redaktionelle Arbeit zu unterstützen“.

Wohl nur durch ein Versehen ist das Interview auch an reguläre Tageszeitungen verschickt worden. Auf diese Weise gelangte es auch an die „taz.nord“, die den Umstand nun öffentlich machte. Stern.de spricht sogar schon von einem „Presse-Gate“. Naja. Von der Website von CelleHeute ist das Interview mittlerweile wieder verschwunden. Dafür ist dort ein larmoyanter Kommentar zu lesen, der zeigt, dass die Redaktion wenig journalistisches Unrechtsbewusstsein zu zeigen bereit ist:

Dabei kann es sich aus unserer Sicht nur um Urlaubs- bzw. Sommerlochvertretungen handeln, denn solche und ähnliche Textvorlagen, auch von der “feixenden Opposition”, sind gang und gäbe. Politiker aller Parteien schreiben sogar über sich in dritter Person, und das täglich und mehrfach.

Immerhin wolle man prüfen, ob es sich bei dem Interview nun um ein „echtes“ Interview gehandelt habe und gegebenfalls reagieren:

Sollte sich herausstellen, dass das Interview keins war, sondern tatsächlich wie im “Spiegel” angegeben ein Alleingang des Pressebeauftragten, dann müssen und werden wir unsere Beziehung zur CDU-Pressestelle neu und sorgfältig prüfen.

Vielleicht hätte man das ja vor der Veröffentlichung prüfen sollen …

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter