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Die Zeit: Agendasetting zwischen Bundestag und Orgasmustipps


26 Nov

Journalistinnen und Journalisten seien „Agendasetter“, heißt es. Sie würden durch die Auswahl der Nachrichten bzw. die Auswahl der Ereignisse, die überhaupt zu Nachrichten würden, bestimmen, was auf die „Agenda“ komme, also zum Tagesgespräch tauge und die politischen und gesellschaftlichen Diskurse bestimme.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“, angeblich eines der Leitmedien Deutschlands, muss wie jedes andere journalistische Medium ständig die Relevanz von Ereignissen und Nachrichten abwägen, um nur die wirklich wichtigen Themen zu bringen, also die, über die es wert ist, einen gesellschaftlichen Diskurs zu entspinnen.

Wenn also „Die Zeit“ die Wahl hat zwischen, sagen wir: Bundestag, EU-Kommission und Orgasmustipps für Männer, was wird „Die Zeit“ wohl wählen. Raten Sie oder schauen Sie einfach selbst:

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Streik bei Zeit Online


02 Apr

zeitonlineDie Redakteure von Zeit Online wollen nach Ostern in den Streik treten. Die Onlinejournalisten wollen in Tarifverhandlungen eine Gleichbehandlung mit den Kollegen der gedruckten „Zeit“ durchsetzen. Wie bei vielen Onlinemedien ist es auch im Zeitverlag so, dass die Onliner deutlich weniger verdienen als die Printjournalisten aus demselben Haus.

Die Gewerkschaften Verdi, der Deutsche Journalisten-Verband und der Berliner JVBB fordern, das Gehalt der Onliner an das Niveau der Print-Kollegen der Zeit anzugleichen. Laut einem taz-Bericht verdienen die Onliner bei der Zeit im Schnitt rund 10.000 Euro weniger als die Print-Kollegen.

Die Wochenzeitung Die Zeit rühmt sich, wie auch ein taz-Kommentar kritisch notiert, dass Print und Online besonders gut verzahnt seien. So schreiben Onlineredakteure auch für die gedruckte Ausgabe und umgekehrt. Gleichzeitig ist die Wochenzeitung sehr profitabel und macht mit Rekordauflagen auch Rekordgewinne.

Auch andere Verlagshäuser behaupten, dass sie zwischen Print und Online eigentlich nicht mehr unterschieden, behandeln aber ihre Mitarbeiter sehr unterschiedlich: Im Springerverlag sind beispielsweise die Bildredakteure und die Onlinejournalisten bei verschiedenen Gesellschaften beschäftigt.

Die Verlage begründen unterschiedliche Bezahlungen damit, dass im Onlinejournalismus zu wenig Geld erlöst wird. So argumentiert auch der Zeitverlag.

Originalitätspreis der Woche: Die Zeit und der Sex des Fußballs


11 Jun

Der journalistische Originalitätspreis der Woche geht an die Wochenzeitung Die Zeit. Die hat ja seit einer Weile eine eigene Fußballseite, was vermutlich zur positiven Auflagenentwicklung beigetragen hat, aber an sich auch nicht sonderlich originell ist. In der aktuellen Ausgabe der Zeit ist ein Interview mit den TV-Kommentatoren Marcel Reif und Béla Réthy zur ebenfalls nicht zu originellen These, „Brasilien ist die letzte Chance für Deutschlands goldene Fußballergeneration“. Man findet darin so unfassbar wenig originelle Feststellungen wie: „Es gab noch nie eine Mannschaft mit so vielen guten Fußballspielern in Deutschland“, zumal sich die Anzahl der Fußballspieler auf dem Feld seit vielen, vielen Jahren nicht mehr geändert hat. Aber den Originalitätspreis haben sich die beiden Interviewer Moritz Müller-Wirth und Bernd Ullrich verdient mit folgender unfassbar originellen These:

Wir machen mal den Vorschlag zur Definition: Fußball ist wie Sex! Banal und alltäglich und gleichzeitig mit das Großartigste, was es gibt.

Es steht zu befürchten, dass die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft noch zu einem wahren Feuerwerk solcher bratwurstjournalistischer Einsichten führen wird.

Das okaye Zeit-Feuilleton


30 Jan

Man muss nicht jedes Buch rezensieren. Und man muss auch nicht jeden Satz schreiben. Und wenn die geschätzte Zeit-Feuilletonistin Iris Radisch auf den ebenfalls geschätzten Nicholson Baker trifft, weist sich einmal mehr, dass Plus und Plus manchmal eben doch auch Minus ergeben können. Oder wie konnte es sonst zu solchem Satz-Unfall kommen:

Das alles wäre zu verschmerzen, wenn der okaye Anstalts-Sex dieses nur scheinbar wüsten und verwilderten Romans nicht so steril und unaufregend wäre.

Natürlich weiß Iris Radisch, dass die Partikel “okay” nicht deklinierbar ist und auch nicht als attributiv gebrauchtes Adjektiv taugt. Warum benutzt sie sie dann trotzdem so? Soll es lustig sein, der Kotau vor der Jugendsprache, schlicht ein Aussetzer? Vermutlich letzteres.

Genies nach Maßgabe des deutschen Journalismus


16 Okt

Dass Journalisten sich zwar gerne als Mitglieder der offenbar begehrenswerten Gruppe der bundesdeutschen Intelligenzija sehen, andererseits aber genau dazu nicht im mindesten zählen, wird immer dann besonders deutlich, wenn sie sich mit eben jener beschäftigen, sprich: den Versuch unternehmen, intelligente Menschen zum Thema zu machen. Besonders gerne misslingt dieser Versuch in der Wochenzeitung „Die Zeit“, die Woche für Woche wieder daran scheitert, sich einen intellektuellen Anstrich zu geben. In dieser Woche titelt man in großen roten Buchstaben „10 Genies die unser Leben verändert haben“ (übrigens: diese „wir“- und „unser“-Sagerei ist nicht zu kleinsten Teilen enervierend in diesem Blatt). Wer sind also diese „Genies“ nach Maßgabe der Zeit-Redakteure?

Steve Jobs
Miuccia Prada
Carl Djerassi
Karl und Theo Albrecht
Howard Schulz
Ingvar Kamprad
Joanne K. Rowling
Jamie Oliver
Mark Zuckerberg

Dass man in seligem Gedenken dem jüngst verstorbenen Computerhersteller Steve Jobs ein „Genie“ hinterher ruft — meinetwegen. Aber der Rest der Liste, so voluntaristisch sie ist, gibt doch zu denken, so wenig gibt sie zu denken: Ein Möbelschreiner, zwei Lebensmittelhändler, eine Kinderbuchautorin, ein Koch? Howard Schulz ist Gründer der Kaffeehaus-Kette Starbucks: Ein Genie? Das kann wohl allen Ernstes nur behaupten, wer noch nie einen Starbucks-Kaffee getrunken hat. Nur zwei Personen auf der Liste haben Bleibendes (?) hervorgebracht, nämlich der Facebook-Programmierer Zuckerberg und der Erfinder der Anti-Baby-Pille Carl Djerassi. Ob sie deswegen gleich „Genies“ sind, wäre immer noch zu diskutieren. Die anderen Namen sind nicht weiters diskutierenswert. Was sie eint, ist einzig der Umstand, es zu viel Geld gebracht zu haben. Das erfüllt nur in der Logik solcher Leute den Genie-Tatbestand, die mit dem Portemonnaie, dem Unterleib oder anderen Ausscheidungsorganen zu denken pflegen, sprich: Hamburger Pfeffersäcke. Intelligent geht anders.

Die Liste erinnert in fataler Weise an einen unsäglichen Artikel, der vor nicht allzu langer Zeit im „Nachrichten“-Magazin „Der Spiegel“ zu lesen war (Heft 34/2011):

Vielosoph to go
Wie wird man zur Instanz im Mediengeschäft? Am Aufstieg Richard David Prechts zur intellektuellen Allzweckwaffe lassen sich zehn Regeln ableiten.

Ausschnitt: Wen der „Spiegel“ für intellektuell hält

Richard David Precht (den ich im übrigen durchaus schätze) hat ein paar populärwissenschaftliche Bücher veröffentlicht, die kommerziell recht erfolgreich waren. Das alleine aber macht ihn weder zum Philosoph, noch zum „Vielosoph“ oder sonstwie einer Geistesgröße (anderes dagegen vielleicht schon, aber dahin gelangt der Spiegel-Artikel erst gar nicht). Der „Spiegel“ selbst bot und bietet dem Autor Precht daraufhin seine wertvollen Seiten für das an, was Spiegel-Redakteure für einen „Essay“ halten, um sich dann über die Medienpräsenz ihres eigenen Autors zu echauffieren. In seligen Zeiten, in denen ein ordentliches Fremdwort unter Intellektuellen noch etwas wert war, nannte man ein solches Verhalten bigott. Eine Leserbriefschreiberin brachte es, ebenfalls im „Spiegel“ (36/2011) auf den Punkt:

Bei Ihrem flott-witzig-bissigen Rundumschlag kriegen alle ihr Fett weg – man fragt sich am Ende nur, was das soll. Erst bieten Sie den typischen Mediengesichtern große Plattformen, um dann über sie herzuziehen?

Bemerkenswert am Spiegel-Elaborat war auch die großflächige Abbildung, die offenbar all jene versammelte, die die Redaktion des Magazins für intellektuell satisfaktionsfähig hält. Aber neben wem muss sich da ein intellektuelles Schwergewicht wie Jürgen Habermas abbilden lassen: Ein Fußballlehrer, eine Bischöfin, ein Talkshow-Moderator und ein Teilzeit-reaktionärer Fernsehphilosoph. Deutschland hat wirklich einige Geistesgrößen zu bieten. Gescheite, unglaublich belesene Leute, die aus ihrem enormen Wissensschatz unter Anwendung der Gesetze der Logik (und machmal auch unter Umgehung derselben) zu brillanten Schlüssen kommen. Die „Zeit“- und „Spiegel“-Redakteure könnten vermutlich lebenslänglich suchen, sie würden diese echten „Genies“ nicht finden. Lebenslänglich, das heißt „bei uns“ ja bekanntlich 15 Jahre. Aber anschließend sollte der deutsche Journalismus dringend in intellektuelle Sicherungsverwahrung.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter