Thema verfehlt?

07 Sep

Wie man ein Thema nicht nur haarscharf, sondern vollständig verfehlen kann, dafür gibt die Website von tagesschau.de heute ein beunruhigend gutes Beispiel. Unter der Überschrift „Tritt SPD-Parteichef Beck zurück?“ wird dort von „Oliver Günther (HR), ARD-Hauptstadtstudio Berlin,“ viele, viele Zeilen lang über die SPD-Klausurtagung in einem Örtchen namens Schwielowsee gehandelt. Doch auf die in der Überschrift aufgeworfene Frage über das weitere Schicksal des SPD-Parteichefs wird mit keiner einzigen Zeile eingegangen.
Nachschlag: Nach einem halben Tag hat man es auch bei tagesschau.de gemerkt. Der Artikel wurde ausgetauscht und durch einen etwas sinnvolleren ersetzt. Wer die ursprüngliche Version kennenlernen möchte, kann sich im folgenden kundig machen:

Tag der Entscheidungen in der SPD
Tritt Parteichef Beck zurück?

Die Bundespolitik spielt heute am Schwielowsee bei Potsdam: Dort will die SPD Außenminister und Vizekanzler Steinmeier als ihren Kanzlerkandidaten nominieren. Nach ARD-Informationen wird mit einer weiteren Entscheidung gerechnet: dem Rücktritt von SPD-Chef Beck. Noch immer verzögern separate Gespräche die angekündigte Pressekonferenz. Hinter den Kulissen soll es richtig gären. Grund: die Art und Weise, wie Steinmeier seine Kandidatur durchsetzen will.

Von Oliver Günther (HR), ARD-Hauptstadtstudio Berlin

Eigentlich wollte die SPD bei ihrer Klausur am beschaulichen Schwielowsee in Brandenburg über ihr Programm für den Bundestagswahlkmapf 2009 reden. Aber jetzt dürfte vor allem ein Mann im Mittelpunkt stehen: Frank-Walter Steinmeier. Noch ist es nicht offiziell. Aber SPD-Parteikreise haben gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt, Steinmeier soll Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2009 werden. Und Parteichef Kurt Beck werde ihn heute bei der Klausur als solchen vorstellen.

Eine unerwartete Entwicklung, die so wohl auch nicht geplant war. Bis zuletzt hatte die SPD Spekulationen rund um die Person Steinmeiers zurückgewiesen. Aber am Ende war es wohl Steinmeier selbst – so wird berichtet -, der seine Nominierung in den vergangenen Tagen vorangetrieben hatte, angesichts der Krise der Partei und dramatisch schlechten Umfragewerten.

Entsprechend überrascht zeigen sich jetzt selbst führende SPD-Politiker. Er könne die Festlegung auf Steinmeier kaum glauben, so die erste Reaktion eines konsternierten SPD-Vorstandmitglieds, wenige Stunden nach den ersten Meldungen gestern Abend.

Tatsächlich sei die endgültige Festlegung auf Steinmeier erst am Samstag gefallen, heißt es nach vertraulichen Gesprächen zwischen Beck und Steinmeier. Auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder habe Einfluss genommen. Angeblich habe er Steinmeier gedrängt, jetzt das Heft in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis: Steinmeier soll Kanzlerkandidat werden, Beck Parteivorsitzender bleiben. Die beiden sollen ein Tandem bilden. Auch Franz Müntefering soll im SPD-Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen.
Eine zentrale Aufgabe des Trios dürfte darin bestehen, die heftig schlagenden Parteiflügel endlich wieder zu beruhigen. Auf der einen Seite die Parteilinken, die eine Abkehr von der Agenda 2010 fordern, auf der anderen Seite die Reformer, die an der Agenda 2010 festhalten wollen. Zu ihnen zählt insbesondere Steinmeier, der diese Agenda-Politik als Kanzleramtschef unter Kanzler Schröder maßgeblich mitgestaltet hatte.

Eckpunkte für Wahlprogramm
Und so heißt es, auch inhaltlich habe sich Steinmeier durchgesetzt. Das elfseitige Eckpunktepapier zum Wahlkampf, das heute bei der Klausur Thema sein soll, würde seine Handschrift tragen. Demnach sollen Wirtschaftswachstum und Bildung zentrale Stichworte sein.

Absehbar ist aber auch: mit der bevorstehenden Ernennung Steinmeiers hat der Wahlkampf begonnen. Das zeigen auch die ersten Reaktionen aus der Union.

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