Wie gierig sind Fernseh-Journalisten?

20 Jun

zapp Was wären Medien ohne Skandal, auch wenn man ihn vielleicht selbst anzetteln muss? Nun hat die Medienwelt wieder einen: Nebenverdienste von öffentlich-rechtlichen Journalisten. “Abgreifen, abkassieren, Gier” – das sind die Vokabeln, mit denen ARD-Moderatoren wie Tom Buhrow oder Anja Kohl oder ZDF-Leute wie Petra Gerster oder Claus Kleber sich abkanzeln lassen müssen. Angefacht hat die Diskussion ausgerechnet ein öffentlich-rechtliches Fernsehmagazin, nämlich die Sendung “zapp” vom NDR. Mutet schon das eigentümlich an, sind auch inhaltlich einige Einschränkungen vorzunehmen, liegt hier doch direkt ein mehrfaches Mißverständnis vor:

1. In einer Medienwelt, in der Sender (auch und gerade öffentlich-rechtliche) sich Moderatoren und “Anchormen und -women” abluchsen, abkaufen und verscherbeln wie sonst nur Fußballsklaven in der Bundesliga, darf es nicht wunder nehmen, wenn diese selbst ihren “Marktwert” ausloten und nehmen, was sie kriegen können. “Gier”, natürlich, was denn sonst? Doch die Angesprochenen reagieren mit dem Wörtchen “Neid”, und irgendwie haben sie dann auch recht.

2. Gerade bei den Öffentlich-Rechtlichen hat sich eine Produktionsweise etabliert, die dem Manchesterkapitalismus des 19. Jahrhunderts näher steht, als es der Nimbus einer Anstalt des öffentlichen Rechts nahe legen würde. Die festangestellten Redakteure der Sender sind, in der Regel, nicht viel mehr als Verwaltungsangestellte, die ihr Programm verwalten und Produktionsaufträge rausgeben. Die journalistische Kernerarbeit lässt man von freien Mitarbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen erledigen, deren man sich nach Lust und Laune, nach Programmerfordernis und Gewogenheit auch wieder entledigen kann. Dass bei solchen Mitarbeitern, die mehr als 90 Prozent des öffentlich-rechtlichen Fernsehprogramms herstellen (!), eine Identifikation mit dem Arbeitgeber nicht immer leicht fällt, liegt auf der Schreibhand.  Die Tageslosung “Wes Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing” haben die ARD-Anstalten selbst ausgegeben, und dass der Journalist sich beizeiten auch nach anderen Einnahmemöglichkeiten umsieht, ist ihm nicht zu verdenken. Wenn in den vorliegenden Fällen auch festangestellte Redakteure sich des Systems bedienen, um ihr nicht gerade geringes und außertariflich ausgehandeltes Salär weiter aufzubessern, gehört es nur zu den Bigotterien, die dem System ohnehin innewohnen.

3. Aber auch die privaten Abnehmer jener Beratungs-, Rede- oder sagen wir es doch rundheraus: PR-Dienstleistungen, die Buhrow & Co. zu bieten haben, unterliegen einem Mißverständnis: Sie heuern nämlich die Gesichter von Fernsehformaten an, nicht aber deren journalistische Qualität. Die Presenter, Anchormen oder Moderatoren haben nämlich den geringsten Anteil an den journalistischen Inhalten, die sie präsentieren. Nur bei Claus Kleber, der auch Leiter des ZDF-heute journals ist, verhält sich das vielleicht etwas anders. Was all diese telegenen Herrschaften zu bieten haben, ist Prominenz, die sie allein ihrer Bildschirmpräsenz zu verdanken haben. Mit öffentlich-rechtlichen Qualitäten hat das nichts zu tun, deswegen können sie auch nicht in Gefahr geraten. Süffisant an der Geschichte ist, dass die Bestverdiener unter den Genannten, Tom Buhrow und Claus Kleber, beide ihre “journalistischen” Meriten im ARD-Studio Washington verdient haben: Es ist dasjenige ARD-Auslandsstudio, das im höchsten Maße das amerikanische producer-System übernommen hat – ein freiberuflicher producer recherchiert und produziert einen Fernsehbeitrag und der Korrespondent hält buchstäblich nur noch seinen Kopf hin und spricht öffentlichkeitswirksam ein paar Sätze im “on”. So gewinnt man an Popularität, nicht aber an Qualität.

4. Publik gemacht hat den Vorgang  das Magazin “zapp” des Norddeutschen Rundfunks. Und ausschließlich öffentlich-rechtliche Moderatoren sind in den Fokus geraten. Auch hier liegt ein (absichtliches?) Mißverständnis vor: Die Zapp-Macher wollen uns nämlich weiß machen, dass Moderatoren der Privatsender gar keine Glaubwürdigkeit besitzen, die sie verspielen oder gar verkaufen könnten. Dass man in äußerst rekursiver Weise die Glaubwürdigkeit der eigenen Fernsehanstalt in Frage stellt und damit letztlich sich selbst den Boden der Wahrhaftigkeit unter den Füßen wegzieht, hat seine ganz eigene Ironie. Und wenn zapp-Moderatorin Ilka Schneider vor dem Beitrag süffisant anmerkt, sie selbst würde ja auch solchen Nebenbeschäftigungen nachgehen, sind die Grenzen des Medien-Zynismus neuerlich ausgelotet, die eigene Berichterstattung im vorhinein desavouiert und der geneigte Zuschauer wie üblich der Trottel, der sich den ganzen Mist gefallen lassen muss. Wer zu Kritik fähig ist, beherrscht deswegen noch lange nicht die hohe Kunst der Selbstkritik. Und da ein sachlicher Gehalt sich bei so viel Bigotterie nicht aufrecht erhalten lässt, versucht man es, wie immer in solchen Fällen, mit der Moral. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat in seinem Fernseh-Buch geschrieben, dass die Moral, die sich im Fernsehen äußere, stets nur eine spießige und kleinbürgerliche sei. Was würde die ARD dazu sagen: “Das ermöglichen wir mit Ihren Rundfunkgebühren”.

Haben wir  es mit einer “Machenschaft” oder wirklich einem “Skandal” zu tun? Nein. Denn das ein Fernsehmagazin aus einer Portion Gerüchten und einem Schlag Nachrede, legiert mit hohen Zahlen und angereichert mit etwas Moral, einen Fernsehbeitrag macht und dabei Leuten ans Zeug flickt, die gar nichts Verbotenes getan haben, das skandalisiert hierzulande niemanden mehr. Also, mir schmeckt das nicht. Aber ein Geschmäckle bleibt immer.

Fernsehen und Stars – Tom Buhrow und die Gier – Kultur – sueddeutsche.de
NDR: „Ethik und Journalismus“
Zapp-Beitrag des NDR

Weiterflüstern ...Share on Facebook0Tweet about this on TwitterShare on Google+0Share on Tumblr0Email this to someonePrint this page

4 Responses

  1. Joss sagt:

    Fernsehkritik eigener Art ergibt sich aus
    Videos mit Peter Schiff (USA), einer jener,
    der rechtzeitig vor der Finanzkrise warnte.
    (Er war unlaengst bei Jon Stewart, Comedy Central zu Gast, ihm wurde gratuliert im Gegensatz zu anderen money – guys die Stewart zerpfueckte. Eine paar Videos zusammengestellt (das erst Video, 2006/ 2007 ist mittlerweile ein Klassiker) die eine recht
    interessante Geschichte ergeben:
    http://ivanmedienhorror.blogspot.com/2009/06/verbraucherfallen-die-geld-und.html

  2. Bin beim rumsurfen auf den Artikel heir gestossen.. sehr interessant! Weiter so 🙂

  3. Tja, das Leben kann so scheisse sein, mann muss sich nur muhe geben.

  4. An sich n cooler post, aber kannst beim nachsten mal n bisschen detailierter sein?

Leave a Reply

Loading Facebook Comments ...

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter